Die AG "Menschen mit komplexen Beeinträchtigungen"

Für blinde und sehbehinderte Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit zusätzlichen Beeinträchtigungen ist die Teilhabe am Leben und am Lernen sowie die Teilhabe am Arbeitsprozess grundlegend erschwert. Somit ist ein spezifischer und eigenständiger Förderbedarf gegeben.

Förderbedarf
Blinde und sehbehinderte Menschen mit zusätzlichen Beeinträchtigungen haben in allen lebenspraktischen Belangen einen erheblichen Mehrbedarf an Förderung und Unterstützung. Die Wahrnehmung  und Kontrolle der Umwelt, die für einen konstruktivistischen Umgang mit der Lebenswelt erforderlich sind, erfolgen taktil und/(oder) im Zusammenwirken von Gehör-, Tast-, Geruchs- und Geschmackssinn, von Gedächtnisleistung und Vorstellungsvermögen. Visuelle Eindrücke sind oft kein zuverlässiges Abbild der Realität und führen bei sehbehinderten Menschen mit weiteren Beeinträchtigungen zu einem deutlich erschwerten Lern- und Verarbeitungsprozess, zu unvollständigen Informationen im Erwerb von Erfahrungen und Kompetenzen.
Der Förderbedarf ist demzufolge nicht nur allein auf den Bereich Sehen beschränkt, sondern umfasst auch die Bereiche Hören, Sprache, geistige Entwicklung, emotionale und/oder soziale Entwicklung, Lernen, motorische und körperliche Entwicklung.
Wenn die Förderung in diesen Bereichen den Bedürfnissen der Kinder und Jugendlichen entspricht, ist es möglich, eine echte Teilhabe am Lernprozess, insbesondere im Hinblick auf die inklusive Beschulung, zu realisieren. Diese Unterstützung ist aber auch zur Sicherstellung beruflicher Teilhabe erforderlich.
Nur durch eine angemessene Unterstützung ist eine soziale Einbindung, verbunden mit weitestgehender Autonomie, zu erreichen. So wie das Kind oder der Jugendliche der allgemeinen Schulpflicht nachkommen möchte, hat der Erwachsene den Wunsch nach Ausbildung, Arbeit oder das Interesse einer ihm möglichen Betätigung nachgehen zu wollen. Dadurch wird Förderung ein wichtiges Element für die Identitätsfindung der Menschen mit mehrfachen Beeinträchtigungen.
Der individuelle und für diese Personengruppe spezifische Bedarf stellt die Grundlage für den sonderpädagogischen Handlungsrahmen. Die Förderung ist geprägt durch das interdisziplinäre Handeln der verschiedensten wesentlichen Berufsgruppen in der Arbeit mit Menschen mit Behinderung. Das Anknüpfen an Fähigkeiten und Fertigkeiten in der spezifischen Förderung ist eine unabdingbare Grundlage, um Entwicklung und den Erhalt von Erlerntem möglich zu machen.
Orte und Ziele des Lernens und der Förderung
Prinzipiell soll der Lernort gewählt werden, der den besonderen Bedürfnissen und der Persönlichkeitsentwicklung der Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen am besten entspricht. Dies kann das Förderzentrum mit dem Förderschwerpunkt Sehen sein, ebenso aber die wohnortnahe Regelschule, in der der besondere Förderbedarf durch entsprechende qualifizierte Hilfen gegeben ist.
Die Verfügbarkeit von Personal mit spezifischem Fachwissen, eine garantierte interdisziplinäre Zusammenarbeit sowie die ausreichende Versorgung mit speziellen Hilfs-, Lehr- und Lernmittel sind zu gewährleisten.
Blinde und sehbehinderte Menschen mit zusätzlichen Beeinträchtigungen bedürfen nach Erfüllung der Schulpflicht eines Arbeitsplatzes in einer Werkstatt für behinderte Menschen, einer Tagesförderstätte oder eines anderen adäquaten Arbeitsplatzes auf dem ersten Arbeitsmarkt, der dem besonderen Unterstützungs- und Förderbedarf dieses Personenkreises entsprechen kann.

Lebenslanges Lernen
Förderung und Lernen sind untrennbar miteinander verbunden und stellen in dieser Verbindung eine notwendige Voraussetzung zur Teilhabe am Leben und an der Arbeit dar. Dies gilt ein Leben lang, auch und gerade für blinde und sehbehinderte Menschen mit zusätzlichen Beeinträchtigungen.
Das Leben lehrt, dass lebenslanges Lernen ein ständiges Muss zur Entwicklung und zum Erhalt von Fähigkeiten und Fertigkeiten ist. Lebenslanges Lernen hat in den letzten Jahrzehnten steigende Aufmerksamkeit erhalten und den Einzug in viele bildungspolitische Forderungen und Konzepte gefunden. Die Europäische Kommission hat daraufhin ein „Memorandum über lebenslanges Lernen“ vorgelegt. Danach kann Lernen nicht nur in Alters- und Klassenstufen oder nach rechtlicher Verpflichtung gewürdigt werden, sondern ist als Bestandteil des gesamten Lebens zu betrachten. Lebenslanges Lernen und damit verbundene fachgerechte Förderung dieses Personenkreises ist notwendig, umden Aufbau und den Erhalt einer Ich-Identität zu stützen;
die Entwicklung eines Lebenszutrauens zu stärken;
eine den Fähigkeiten entsprechende Schulbildung zu erreichen;
Dies ist wiederum Voraussetzung dafür,sich für eine berufliche Tätigkeit zu qualifizieren,
und diese mit entsprechender Unterstützung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auszuüben
oder berufliche Teilhabe im Rahmen einer Werkstatt für behinderte Menschen zu realisieren;
eine Sicherung der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu gewährleisten.Der VBS setzt sich dafür ein, dass diese Positionen einer fachlich interessierten Öffentlichkeit zugänglich gemacht sowie inhaltliche Diskussionen initiiert und Standpunkte erarbeitet werden. Dadurch sollen notwendige Rahmenbedingungen entwickelt werden, die es blinden und sehbehinderten Menschen mit zusätzlichen Beeinträchtigungen ermöglichen, eine berufliche und soziale Teilhabe auch tatsächlich zu realisieren.